Genesis 1,9–13
Eigene Übersetzung
- Und Gott sprach: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einen Ort, und das Trockene werde sichtbar. Und es geschah so.
- Und Gott nannte das Trockene Land und den Ort des Wassers nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.
- Und Gott sprach: Die Erde grüne mit samentragendem grünem Kraut und Fruchtbaum, der Früchte bringt nach seiner Art, in dem sein Same ist auf der Erde. Und es geschah so.
- Und die Erde brachte grünes Kraut hervor, samenbringend nach seiner Art, und Baum, Früchte bringend mit Samen in ihnen nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.
- Und es wurde Abend, und es wurde Morgen, dritter Tag.
Kommentar
Anders als der Bericht des zweiten Tags passt der des dritten Tages sehr gut in unser wissenschaftliches Verständnis heute.
Es scheint eine große Landmasse zu beschreiben, die sich auf Gottes Wort hin aus dem Ur-Ozean erhob – genauso wie heute viele glauben, dass es einst einen großen Megakontinent gab, nachdem die ganze Erde von Wasser bedeckt war. Und es betont, dass die Pflanzen alle nach ihrer Art geschaffen wurden – also nicht alles miteinander gekreuzt werden kann.
Auch wenn hier der Begriff „Art“ nicht dem Wort „Art“ in der Biologie entspricht, stimmt es, dass jede Pflanzenfamilie ihre eigene Genetik hat.
Und die Vorstellung eines Megakontinents, der bei der Sintflut auseinandergebrochen wäre, ist für den biblischen Bericht nicht auszuschließen – sofern man davon ausgeht, dass Genesis 1 eine Mischung ist, die teilweise – dort, wo es die ersten Hörer anders nicht verstanden hätten – auf die Sprache und das Verständnis der Zeit hinunterbricht und z. B. eine flache Erde beschreibt, an anderen Stellen aber die Sachen näher an den genauen Geschehnissen beschreibt.
Dennoch wurde der Bericht ja erst einmal für die Israeliten damals – wahrscheinlich noch bei der Wüstenwanderung – geschrieben. Auch wenn es uns vielleicht begeistern kann, dass der Schöpfungsbericht so gut zu unserem heutigen Verständnis passt und dass es uns hilft, die Entstehung der Erde etwas besser zu verstehen, sollten wir die erste Hörerschaft nicht außer Acht lassen.
Die erste Frage, die zum Verständnis des Textes zu stellen ist, ist deshalb eigentlich nicht:
„Wie wurde die Erde erschaffen?“
sondern:
„Was wollte Gott seinem Volk damit kommunizieren?“
Warum werden z. B. die Samen nach ihrer Art so in einem Bericht an Israel betont?
Was hat es für die Israeliten damals bedeutet, diesen Bericht zu hören?
Was war Gottes Botschaft – und wie überträgt sie sich für uns heute?
Das Trennen von Erde und Wasser, ähnlich wie das Trennen von Wasser oben und unten, bereitet Lebensraum vor und zeigt Gott als einen Gott, der definiert und Grenzen zieht.
Dass das Wasser hier weggetrennt wird, sehen einige als einen Hinweis auf den Sieg über die Chaosmacht, mit der das Wasser und der darin lebende Leviathan verbunden wird.1Hansjörg Bräumer, Das erste Buch Mose (1–11), hg. von Gerhard Maier und Adolf Pohl, Wuppertaler Studienbibel (Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2018), 47.
Andere Schöpfungsgeschichten beschreiben diesen Sieg. Der Schöpfungsbericht hingegen betont einfach nur die souveräne Macht Gottes, der dem Wasser befielt und es gehorcht. (vgl. Jeremia 5,22)
Dass alles „nach seiner Art“ geschaffen wurde, war eine klare Beobachtung für landwirtschaftliche Völker.
2Carol Hill, A Worldview Approach to Science and Scripture (Grand Rapids, MI: Kregel Publications, 2019), 112–113.
Und enorm wichtig. Von Jahr zu Jahr war man auf die Ernte angewiesen. Hätten die Gerstenkörner ein Jahr plötzlich Disteln hervorgebracht oder an den Weinstöcken irgendwelche giftigen Beeren gehangen, wäre es sehr fatal gewesen.
Wahrscheinlich betont der Schöpfungsbericht es hier so, weil damit Gottes Fürsorge gezeigt wird:
Es war der Schöpfergott Israels, der dafür gesorgt hat, dass man sich bei seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit darauf verlassen konnte, dass jedes Jahr aufs Neue das geerntet werden kann, was gesät wurde.
Auch wenn man den Text gut nutzen kann, um in der Diskussion zwischen Schöpfung und Evolution zu zeigen, dass die biblische Idee der getrennten Arten klar der Evolution widerspricht, so wäre es auch gut, zu versuchen, den Text nach der Intention, mit der er geschrieben wurde, zu verstehen.
Und ist es nicht auch eine wunderschöne Botschaft, dass dieser Text uns einen Gott vorstellt, der sicherstellt, dass der Lebensraum gut ist?
Dass das Meer nicht plötzlich das Land wieder zurückerobert?
Und der die Gesetzmäßigkeiten geschaffen hat, die notwendig sind, um sich bei Versorgung, Saat und Ernte darauf zu verlassen, dass jedes Jahr aufs Neue das aus der Erde sprießt und an den Bäumen hängt, was für unser Leben notwendig ist?
Exkurs: Leviatan
In evangelikalen Kreisen wird der Leviathan oft als ein Meeresdinosaurier verstanden. Die Beschreibung in Hiob 40 scheint auch zu einem solchen zu passen, aber es ist dennoch auffällig, dass der Leviathan in allen umgebenden Kulturen auch als mythologisches Seeungeheuer bekannt ist. Jeder „wusste“ also, was es war.
Psalm 74,14 spricht auch davon, dass er mehrere Köpfe hat.
Dennoch ist die Bibel klar, dass Gott auch dieses erschaffen hat (Psalm 104,26).
In Jesaja 27,1 wird ein Gericht am Leviatan beschrieben, das wohl einem Gericht an Satan entspricht.
Ich halte es durchaus für möglich, dass Hiob einen Dinosaurier beschreibt und der Leviatan dennoch als bekanntes mythologisches Wesen der Gegend auch so in der Bibel vorkommt. Selbst wenn klar ist, dass im Wasser vor der Schöpfung kein Meeresungeheuer sein Unwesen trieb (das würde Gott ja erst am fünften Tag erschaffen), so schließt das dennoch nicht aus, dass dieses in Verbindung mit der bedrohlichen Macht des Wassers den ersten Hörern aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes im Hinterkopf war.
Fragen zum Nachdenken
- Was sagt der Text uns über Gott, auch wenn wir nicht mehr so landwirtschaftlich leben wie Israel damals?
- Wieso greift die Bibel auch mythologische Wesen mit auf und baut sie in ihr Weltbild mit ein – auch wenn sie alle Gott unterworfen und von ihm geschaffen sind? Was können wir davon lernen?
- Wie können wir, wenn wir die Bibel lesen, sie aus ihrer Botschaft heraus sprechen lassen, ohne immer zuerst unsere heutige Zeit hineinlesen zu müssen?
- 1Hansjörg Bräumer, Das erste Buch Mose (1–11), hg. von Gerhard Maier und Adolf Pohl, Wuppertaler Studienbibel (Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2018), 47.
- 2Carol Hill, A Worldview Approach to Science and Scripture (Grand Rapids, MI: Kregel Publications, 2019), 112–113.

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