Jesaja 2,1-4
Eigene Übersetzung
- Das Wort, das Jesaja, der Sohn Amoz, gesehen hat über Juda und Jerusalem:
- Und es wird geschehen: In den späteren Tagen wird der Berg des Hauses Jahwes fest stehen am Gipfel der Berge und erhoben sein über die Hügel, und alle Nationen werden zu ihm strömen.
- Und viele Völker werden kommen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg Jahwes, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns seine Wege lehre und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion geht das Gesetz aus und das Wort Jahwes von Jerusalem.
- Und er wird richten zwischen den Nationen und Recht sprechen für viele Völker. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Wurfspieße zu Winzermessern. Nicht mehr wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden nicht mehr den Krieg lernen.
Kommentar
So eine wunderschöne Verheißung!
Ich selbst habe nie Krieg direkt erlebt, aber doch schon so oft davon gehört und so viele Streitereien erlebt (die ja gewissermaßen der kleine Bruder des Krieges sind) und diese sind mir ja schon schlimm genug.
Eine Zeit, in der alle sich nach dem einzig wahren Gott ausrichten, seine Gesetze und Wege lernen wollen und weltweiter Friede herrscht. So ein wunderschönes Bild – schon für mich; wie viel schöner muss es für die ersten Hörer gewesen sein, die so viel Krieg erlebt haben?
Dieser Text ist dem von Micha 4,1–4 sehr ähnlich. So ähnlich, dass davon auszugehen ist, dass einer von dem anderen abgeschrieben haben muss.
Der Text passt in beiden Kontexten gut, aber es sieht aus, als würde es bei Jesaja sprachlich noch besser passen.1J. Alec Motyer, Isaiah: An Introduction and Commentary, Bd. 20 of Tyndale Old Testament Commentaries (Downers Grove, IL: InterVarsity Press, 1999), 58.
Hinzu kommt, dass Jesaja sagt, er hat dies über Juda und Jerusalem in einer Vision gesehen (das Wort für „sehen“ hier ist nicht das gängige ראה, das meist für normales Sehen genutzt wird, sondern חזה, dessen Wurzel auch für das Wort „Vision“ genutzt wird). Micha sagt dies nicht direkt.
Herausforderung sehe ich darin, wann dieser Text sich erfüllen soll. Bisher sehen wir ihn nicht erfüllt, und da es keinen Tempel mehr gibt und Juda seine Position als Gottes Volk mit der Ablehnung Jesu verloren hat, ist es auch unwahrscheinlich, dass es sich so noch wörtlich erfüllt.
Es kann natürlich ein Hinweis auf die neue Erde sein. Dort wird wohl keiner mehr Schwerter zu Pflugscharen umschmieden müssen (aber das würde heute auch keiner mehr tun) und dort sind wir alle ein Volk unter Gott, sodass auch die Trennung der verschiedenen Völker weniger relevant wäre. Es könnte einfach diesen göttlichen Frieden der neuen Erde in Worten der alten Erde symbolisieren.
Eine andere mögliche Auslegung ist die bedingte Prophetie. Viele Weissagungen an Israel im Alten Testament könnten so verstanden werden, dass sie etwas prophezeien, was hätte passieren können. Hätte Israel Jesus angenommen, dann wäre es so gekommen.
Dies würde einiges im Alten Testament einfacher einordnen und ist biblisch möglich: Prophetien erfüllen sich nicht, weil das Verhalten des Menschen sich geändert hat – im positiven Beispiel bei Jona (Jona 3,4–10) und Hiskia (Jesaja 38,1–6), im negativen bei der Teilung des Reiches nach Salomons Ungehorsam (2 Samuel 7,12–16; 1 Könige 11,11–13).
Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob man es sich damit manchmal nicht zu einfach macht und der Text vielleicht noch etwas anderes sagen will.
Fragen zum Nachdenken
- Was denkst du dazu, dass ein Prophet die Worte des anderen recycelt? Wie passt das in dein Verständnis von Inspiration?
- Was denkst du zu scheinbar oder gar offensichtlich nicht erfüllten Prophetien? Kommt es noch wörtlich, symbolisch oder war es bedingt?
- Welche Hoffnung bietet der Text dir persönlich?