Deuteronomium 7,7-11
Eigene Übersetzung
7) Nicht weil du größer bist als andere Völker hängt euch Jahwe an und hat euch erwählt, sondern ihr seid das kleinste von allen Völkern.
8) Denn weil Jahwe euch liebt und seinen Schwur hält, den er euren Vätern geschworen hat führte Jahwe euch mit starker Hand heraus und kaufte euch los aus dem Haus der Knechtschaft von der Hand Pharaos, des Königs von Ägypten.
9) Und du sollst wissen, Jahwe, dein Gott, er ist Gott, der treue Gott, der den Bund hält und Bundnisstreue (Gnade) denen gewährt, die ihn lieben und seine Gebote halten bis in die tausendste Generation.
10) Und vergilt denen die ihn ins Angesicht hassen und vernichtet sie und zögert nicht zu vergelten vor dem der ihm ins Angesicht hast, sondern vertilgt ihn.
11) So bewahre die Gebote und Regeln und Rechtsbestimmungen, welche ich dir heute gebiete, dass du sie hältst.
Gedanken zum Text
Auf der einen Seite ist der Text sehr schön, auf der anderen Seite aber auch herausfordernd. Gott hat Israel erwählt, weil er es liebt… Aber bedeutet das, dass er die anderen nicht liebt? Schließlich hat er doch nur Israel erwählt. Heißt das, dass Gottes Liebe gar nicht so universell ist?
Die meisten Christen, die ich darauf anspreche, antworten nur: „Gott liebt alle Menschen gleich.“ Dann ist das Thema schnell beendet, als ob es unangenehm wäre. Aber wenn etwas nicht sein darf, heißt das, es kann auch nicht sein? Wie kann es dann Texte geben, die zeigen, dass Gott den einen mehr liebt als den anderen?
Die Bibel ist voll von solchen Stellen. Auf der einen Seite sagt sie, dass Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, und dass er eine allgemeine Schöpferliebe für alle hat. Das stimmt sicher. Auf der anderen Seite steht dann immer wieder, dass Gott manche mehr liebt als andere.
Manchmal geschieht dies aufgrund ihres Verhaltens (wie den Gerechten, den, der ihn fürchtet, oder den, der ihn liebt). An anderer Stelle jedoch scheint es willkürlich. Jakob wird schon vor seiner Geburt mehr geliebt als Esau, Israel wird geliebt, ohne dass irgendetwas in ihrem Verhalten dies rechtfertigt.
Wie gehst du mit dieser Spannung um?
Wie verstehst du sie?
Oder verschließt du lieber die Augen vor diesen Texten?
In Vers 9 wird das hebräische Wort „חֶסֶד“ (chesed) in den meisten Übersetzungen mit „Gnade“ wiedergegeben. Es gilt als schwierig zu übersetzen. Für uns bedeutet Gnade etwas völlig Unverdientes – und manchmal scheint חֶסֶד genau das zu meinen. Häufig tritt es jedoch auch im Kontext von Bündnissen auf, wo es nicht mehr völlig unabhängig oder unverdient ist. Deshalb habe ich es hier als „Bündnistreue“ übersetzt. Es hat aber auch irgendwie mit dem Tun von Gutem zu tun dass nicht immer mit den Bündnisverhältnissen begründet werden kann, was in „Bündnistreue“ nicht ganz enthalten ist. Das Wort entstammt einem kulturellen Konzept, das wir heute vielleicht nicht mehr vollständig verstehen und deshalb schwer übersetzen können.
Gott ist treu und gnädig. Er hält seinen Bund und ist sehr gut zu denen, die ihn lieben. Aber allein die Tatsache, dass eine Bedingung genannt wird, zeigt, dass es nicht völlig unverdient ist. Obwohl er viel mehr gibt, als wir verdient haben, war die Erwählung zuvor („weil ich dich liebe“) auch völlig unverdient. Die unverdiente Liebe Gottes, die uns erlöst, obwohl wir nichts dazu getan haben, ist ein biblisches Konzept. Wir können uns die Erlösung nicht erarbeiten. Und dennoch scheint es, dass Gott Treue belohnt – wobei eine Belohnung nicht völlig unverdient ist, sondern vielleicht größer ist, als wir verdienen können, aber dennoch durch unser Leben begründet wird.
Geht das?
Ist es möglich, die Erlösung als unverdient zu betrachten und dennoch zu glauben, bei Gott etwas verdienen zu können?
Geht das nicht zu schnell in Richtung „Werksgerechtigkeit“?
Und dann gibt es da diese angedeutete „Angstpädagogik“: „Ich bin treu und belohne die, die mich lieben, bis ins tausendste Glied, aber die, die mich hassen, vernichte ich schnell. Darum halte meine Gebote.“
Sicherlich ist Angstpädagogik nicht die einzige Methode, die Gott verwendet, um uns zu motivieren, ihm zu gehorchen, aber offensichtlich setzt er sie auch ein.
Wie gehst du damit um?
Es passt so gar nicht zu unserer modernen Kultur der antiautoritären Erziehung, dass Gott Strafe androht.
Wie passt das zu einem liebenden Gott?
Ist Gott vielleicht nicht „modern“ genug, um zu verstehen, wie man „richtig“ erzieht?
Oder ist es möglich, dass unser Verständnis etwas verdreht ist?
Wurde unser Bild von Erziehung möglicherweise sogar bewusst durch Gottes Gegenspieler (Satan) verfälscht, damit es uns schwerer fällt, Gott anzunehmen?