Deuteronomium 1,9-18
Eigene Übersetzung:
9) Und ich sprach zu in jener Zeit: Ich kann euch nicht allein tragen.
10) Jahwe euer Gott hat euch gemehrt, und seht, heute seid ihr so zahlreich wie die Sterne am Himmel.
11) Jahwe der Gott eurer Väter füge euch noch tausendmal so viele hinzu, und segne euch, wie er zu euch gesagt hat.
12) Wie kann ich alleine eure Last und Bürde und euren Streit tragen.
13) Wählt für euch weise, verständige und erkenntnisreiche Männer aus euren Stämmen und ich werde sie über euch setzen.
14) Und ihr habt mir geantwortet und gesagt: Die Sache is gut, von der du gesagt hast sie zu tun.
15) Und ich nahm die Häupter eurer Stämme, weise und erkenntnisreiche Männer und setzte sie (als) Häupter über euch (als) Oberste über tausend, oberste über hundert, Oberste über fünfzig, Oberste über zehn und (als) Aufseher für eure Stämme.
16) Und ich gebot euren Richtern in jener Zeit: “Hört eure Brüder und richtet gerecht zwischen einem und seinem Bruder und (auch) dem fremden.
17) Sehe nicht auf die Gesichter im Gericht, den kleinen sollst du genauso (an)hören wie den großen und dich vor keinem Menschen fürchten, denn das Gericht ist für Gott. Und die Sache, die dir zu schwer ist bring vor mich und ich werde sie (an)hören.
18) Und ich gebot euch zu jener Zeit alles, was ihr tun sollt.
Gedanken zum Text
Wenn jemand eine Geschichte erzählt, überlegt er sich zunächst, was wichtig ist zu erwähnen und was nicht. Besonders bei einem so entscheidenden Vortrag wie der letzten großen Rede von Mose würde man erwarten, dass er sehr genau überlegt hat, was er berichten wird.
Warum also ist die Geschichte, wie er Richter über Israel einsetzte, so wichtig? Hängt es damit zusammen, dass er damit ein weiteres Versprechen Gottes wiederholen kann – nämlich, dass Gott sie zahlreich wie die Sterne am Himmel gemacht hat? Sicherlich wiederholt er diese Verheißung bewusst, so wie er zuvor auch schon wiederholt hat, was Gott den Vätern versprochen hat. Aber das hätte er auch ohne diese Geschichte tun können.
Geht es darum, dass er sich rechtfertigt, nicht alles allein machen zu wollen? Geht es um die Demut von Mose?Oder erinnert er das Volk daran, dass sie weiterhin Richter haben werden und sollen, die sich an die genannten Richtlinien halten müssen? Vielleicht geht es auch darum, dass bereits damals, beim ersten Aufbruch ins verheißene Land, die Grundlagen dafür gelegt wurden, um bereit für den Einzug zu sein.
Heute, in einer individualistischen Gesellschaft, wollen wir in der Gemeinde vielleicht alle gleich sein und erkennen Strukturen manchmal nicht so gerne an. Und während es wahr ist, dass jeder eine persönliche Beziehung zu Gott braucht, zeigt die Bibel immer wieder, dass wir nicht so unabhängig sind, wie wir gerne wären. Es macht einen großen Unterschied, wer über uns steht – an wem wir uns bewusst oder unbewusst orientieren.
Wie können auch wir sicherstellen, dass wir weise und verständige Leitung haben? Und was tun, wenn diese Leitung nicht so weise und verständig ist, wie wir es uns wünschen? Inwieweit sollten wir sie trotzdem als Leitung anerkennen?
Dass Gericht gerecht sein sollte, ist ein Wert, den wohl die meisten teilen. Doch es scheint revolutionär, dass dies auch für den Fremden gelten soll. Ist es nicht oft deutlich einfacher und natürlicher, unsere eigene Gruppe zu bevorzugen und dem Fremden mit mehr Argwohn zu begegnen?
Auch wenn ich selbst nicht als Richter über ein Volk eingesetzt bin, was kann ich tun, um weise, verständig und erkenntnisreich zu sein? Wie kann ich sicherstellen, dass ich nicht die Person ansehe, sondern gerecht gegenüber jedem bin – auch gegenüber dem, der mir fremd erscheint?